Das Schmerzgedächtnis


Da ich sieben Jahre unter unsäglichen Schmerzen litt, habe ich mich ausgiebig mit diesem Thema beschäftigt. Irgendwann wollte ich wissen, was das Schmerzgedächtnis ist und vor allem, wo es ist und wie es aussieht. Folgendes konnte ich recherchieren: Jahrelanger Schmerz hinterlässt Spuren im Gehirn und Rückenmark. Man kann sich das so vorstellen, dass bei einem gesunden schmerzfreien Menschen die Nervenstränge (Rückenmark) linear von oben (Gehirn) nach unten (Lendenwirbelsäule) verlaufen. Es sind gerade Bahnen ohne Abzweigungen. Bei einem Schmerzpatienten bilden sich in diesen Bahnen Verästelungen, es werden neue Wege gebildet. So kann man sich das bildlich vorstellen.

Ein Schmerzgedächtnis kann der Körper entwickeln, wenn Schmerzen über einen langen Zeitraum bestehen und unbehandelt bleiben. Die Nervenbahnen, die den Schmerzimpuls durch den Körper leiten, werden dadurch ständig gereizt, ähnlich wie bei einem ständigen Trainingseffekt, mit der Folge, dass sich die Schmerzen verselbstständigen. Dauerschmerz hat Einfluss auf die genetische Aktivität der Nervenzelle. Dadurch bilden sich neue Eiweißketten, die die Zellmembran verändern, dass die Nervenzelle schneller reagiert. Die Folge ist dann mehr Schmerz.

Wer den Schmerz lindern will, muss das Schmerzgedächtnis behandeln, die Spuren im Gehirn und im Rückenmark verändern. Löschen lässt sich das Schmerzgedächtnis nicht, nur mit einer anderen positiven Information überschreiben. Genauso wie man sich Schmerzen antrainiert hat, kann man sie auch wieder verlernen.

Obwohl das Schmerzgedächtnis äußerst stabil ist, bleibt es nicht unangreifbar. Im Gehirn befindet sich zwar keine Löschtaste, aber das Schmerzgedächtnis lässt sich durch Re-Learning überschreiben. Man muss wieder lernen schmerzfreie Erfahrungenen zu machen. Leider gehen die meisten Schmerzpatienten solchen Lernsituationen aus dem Weg. Wenn zum Beispiel das Laufen schmerzt, wird es nach Möglichkeit gemieden. Der Schmerz sollte zuvor medikamentös ausgebremst werden. Die dann schmerzfreie Situation prägt sich dem Schmerzpatienten ein. Häufige Wiederholungen dieser Art fördern dann die Basis für nachhaltige Effekte.

Ich begann noch mit ziemlich starken Schmerzen wieder zu laufen und bemerkte, dass während der Bewegung der Schmerz weniger wurde. Gleichzeitig nahm ich damals sehr starke Medikamente, die mir halfen mein Schmerzgedächtnis zu überschreiben. Das war ein langer Prozess, der sich über Jahre hinzog.

Mein Schmerz wurde anfangs mit einigen Operationen, die notwendig waren, bekämpft. Die vorausgegangene Medikation hat so gut wie überhaupt nicht geholfen. Die Operationen gaben mir zwar Stabilität in der Wirbelsäule, aber der Schmerz blieb. In der nächsten Phase versuchte man es mit Elektroden und Physiotherapie. Der Schmerz blieb hartnäckig. Erst eine starke morphinhaltige Medikation läutete die Überschreibung meines Schmerzgedächtnisses ein.

Spätestens jetzt hatte ich den Beweis, dass es möglich war die Schmerzen zu ändern. Was ich hier in ein paar Sätzen abhandle, war ein Prozess von sieben Jahren. Aber es hat funktioniert. Heute laufe ich wieder, wenn auch etwas gemütlicher. Und das Ganze so gut wie schmerzfrei. Ohne Medikation. Wenn Schmerzen auftreten ziehe ich meine MBT-Schuhe an oder behandle mich mit einem TENS-Gerät.